Размер шрифта
-
+

Русская германистика. Ежегодник Российского союза германистов. Т. 15. Революция и эволюция в немецкоязычных литературах - стр. 27

Am 18. März 1831 äußerte Goethe gegenüber Eckermann: „Nur muß der Mensch […] auch wiederum gegen das Dämonische recht zu behalten suchen, und ich muß in gegenwärtigem Fall dahin trachten, durch allen Fleiß und Mühe meine Arbeit so gut zu machen, als in meinen Kräften steht und die Umstände es mir anbieten“ [Eckermann 1987, 450–451]. Etwas früher (am 11. März 1828) spricht Goethe von zwei Arten der Produktivität: in der ersten vereinigten sich Dämon und Dämonisches, die zweite aber bleibe dem Menschen überlassen:

Jede Produktivität höchster Art […] steht in niemandes Gewalt und ist über aller irdischen Macht erhaben. […] Es ist dem Dämonischen verwandt, das übermächtig mit ihm tut, wie es beliebt, und dem er sich bewußtlos hingibt, während er glaubt, er handle aus eigenem Antriebe. In solchen Fällen ist der Mensch oftmals als ein Werkzeug einer höheren Weltregierung zu betrachten […].

Sodann aber gibt es jene Produktivität anderer Art, die schon eher irdischen Einflüssen unterworfen ist und die der Mensch schon mehr in seiner Gewalt hat, obgleich er auch hier immer noch sich vor etwas Göttlichem zu beugen Ursache findet. In diese Region zähle ich alles zur Ausführung eines Planes Gehörige, alle Mittelglieder einer Gedankenkette, deren Endpunkte bereits leuchtend dastehen; ich zähle dahin alles dasjenige, was den sichtbaren Leib und Körper eines Kunstwerkes ausmacht [Eckermann 1987: 630–631].

Die letzte Verwirklichung also, die Verkörperung, bleibt jedoch in der Gewalt des Menschen und hier kann dieser auch „gegen das Dämonische recht zu behalten suchen“. Wenn er auf seine einzig mögli-che Freiheit verzichtete, geriete er unter den Bann der Dämonen, die ebenfalls vom Dämon und vom Dämonischen zu unterscheiden sind. Die Dämonen, die man, im Gegensatz zur Entelechie des Dämons, als Wille interpretieren kann, drücken sich in den (auch kollektiven) Affekten aus, die den Menschen seiner letzten Freiheit berauben. So spricht Goethe von Egoismus und Neid, die „als böse Dämonen immer ihr Spiel treiben“14, vom Dämon der Hypochondrie (Gespräch mit Eckermann vom 12. März 1828) [Eckermann 1987: 642], vom Gefühl der Schmach, das die deutsche Nation „als etwas Dämonisches ergriffen“ habe (Gespräch mit Eckermann vom 14. März 1830) [Eckermann 1987: 679], und vom Dämon der Revolution (Gespräch mit Kanzler von Müller vom 5. Januar 1831) [Goethe 1887–1919, V: 8/1]). „Aber das ist auch eben das Schwere“, sagt Goethe zu Eckermann am 2. April 1829, „daß unsere bessere Natur sich kräftig durchhalte und den Dämonen nicht mehr Gewalt einräume als billig“ [Eckermann 1987: 311]. Das Hinge-ben an die Dämonen ist das, wodurch eine Unordnung gestiftet wird, die laut Goethe große Gefahr in sich birgt. Das Dämonische wirkt also als positive Tatkraft nur in der Person, nur wenn es der Verwirklichung der Individualität dient. In der Menge, z. B. bei revolutionären Ereignissen, wirkt es individuumsfeindlich und daher zerstörerisch. Es stellt also keinen Widerspruch dar, dass die Französische Revolution für Goethe dämonisch und zugleich Zeugnis unerlaubter Selbstvergessenheit und Verantwortungslosigkeit des Menschen und Anfang eines Zeitalters der Herrschaft des anonymen Willens war.

Страница 27